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Ostseeheilbad Zingst
Sturmflutschutz bringt Schutz für Ortschaften - und auf dem Ostzingst verlorene Natur zurück

Beitrag: Brigitte Hildisch in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Helga Konow, Nationalparkamt Vorpommern

Deichbau hinter den Dünen? Eigentlich ist man geneigt, so ein Projekt als einen verschandelnden Eingriff in die Landschaft abzutun. Und bei dem flüchtigen Gedanken an Schutzeinrichtungen an der Ostseeküste fragt man sich: Ist soviel Aufhebens in einer Landschaft, wo die Gezeiten fast keine Rolle spielen, wirklich nötig? Hier einige Fakten.

Vorweg

Aus einzelnen Inseln wurde im Laufe von Jahrtausenden die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst - teils im Ergebnis des stetigen Küstenversatzes, teils unter Mithilfe des Menschen. Nun kann das Wasser der Ostsee nur noch über die schmale Verbindung zwischen dem westlichen Teil des Bocks und dem Ostzingst in die Boddengewässer einlaufen. Das Hochwasser dringt nur langsam ein und die Wasserstände in den Bodden erhöhen sich nicht wesentlich. So könnte man sich ganz entspannt zurücklehnen, käme da nicht das Umspringen des Windes, das Blasen aus der Gegenrichtung, und damit der Rückfluss des Wassers zur Ostsee - auf kürzestem Weg - über das Land.

Geschichtliches aus Zingst

Maritimes zu bewahren, heißt für die Zingster, an bekannte und unbekannte Seeleute, zu erinnern. Schließen Sie einen Besuch des Seemannsgrabes in Ihren Rundgang mit ein. Und gehen Sie nicht am Heimatmuseum "Morgensonne" vorbei. Es hat seine Räume in einem alten, denkmalgeschützten Kapitänshaus aus dem Jahre 1867. Sie finden hier auch eine Dauerausstellung über die Heimatdichterin Martha Müller-Grählert.

Verbunden mit dem Festland war die Zingster Ecke bis nach dem 2. Weltkrieg in erster Linie durch die Meinigenbrücke, eine Auto- und Eisenbahnverbindung. Heute rollt der Verkehr außerdem über eine Pontonbrücke. Wählt man diese Route, um auf die Halbinsel zu gelangen, hat man schon von der Brücke einen Blick auf den Zingst, der Vogelinsel Großer Kirr und dem Bodstedter Bodden. Bis nach Zingst ist es dann nur noch ein Katzensprung.

Das Vorhandene

Die Orte an der Darß-Zingster-Boddenkette sind also nicht sicher. Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Menschen sich vor den Folgen von Sturmhochwasser zu schützen: der Prerowstrom wurde geschlossen, erste Deiche wurden aufgeschüttet, Buhnen gebaut - Höherer Wissensstand und bessere technische Möglichkeiten ließen das System von Schutzanlagen zum Abwenden von Gefahren von Menschen und ihren Ansiedlungen im Laufe der Jahre immer mehr verfeinern.

Veraltete Schutzanlagen auf dem Ostzingst können keine umfassende Sicherheit mehr bieten, weder für Zingst, noch für die Boddenküste des gegenüberliegenden Festlandes. Es bedarf zweifellos eines gut durchdachten Konzeptes, welches auch bereits Vorhandenes sinnvoll integriert. Mehr als verlockend ist auch die Aussicht, im Anschluss an die Baumaßnahmen eine längst zerstörte Natur in der Kernzone des Nationalparks großflächig wieder entstehen zu lassen.

Der neue Seedeich, der im Osterwald an den vorhandenen Seedeich ansetzt, wird mittig über die Halbinsel nach Osten fortgeführt. Er wird ein Überströmen des Ostzingstes bei Hochwasser und damit auch größere Aufstauhöhen in der Darß-Zingster-Boddenkette verhindern. Beidseitig der sogenannten "Mittelrippe" bis zum Pramort können großflächige Naturlandschaften entstehen.

Das Neue

Die Deiche im veränderten Schutzsystem sollen einen geschlossenen Ring für den bebauten Bereich im Osterwald bilden. Teilflächen des alten Ostseedammes wurden zunächst mit Sand aufgespült.

Ostssee- und Boddendeich wurden mit einem Riegeldeich östlich des Osterwaldes verbunden. So ist für die bebauten Gebiete mit den Gehöften östlich von Müggenburg der Ringschluss hergestellt.

Das Benötigte

Im Wesentlichen verarbeitet man die Materialien Sand und Mergel beim Deichbau. Der Mergel verdichtet die Sandmassen des Deichkernes. Als Deckschicht wird Kulturboden für eine Grasnarbe aufgetragen.

Das zu Bedenkende

Lange Transportwege sollen vermieden werden. Wie kann man die Baumaßnahmen so organisieren, dass weder die Pflanzen- noch die Tierwelt der Sundischen Wiese (interner Link) wesentlich beeinträchtigt werden? Und wie kann man den Tourismus im Ostseeheilbadbad Zingst unbehelligt lassen?

Das Besondere

Der übliche Transportweg über die Landstraße scheidet aus. Man braucht spezielle technische Lösungen in diesem Gebiet - und das Gebiet liegt günstig.

Bagger fördern den benötigten Sand im Seegebiet nordöstlich von Zingst. Warum also nicht Rohrleitungen für den Transport nutzen und das Material direkt in die Deichabschnitte einspülen? So geschieht es auch beim See- und beim Riegeldeich. Nicht so möglich beim Boddendeich. Für seine Errichtung wurden Zwischenlösungen gebraucht. Spülfelder wurden angelegt und mit Sanden eines Entnahmegebietes in der Ostsee gefüllt.

Auch der Mergel kommt über den Seeweg, wird an einem extra für diese Zwecke geschaffenen Schiffsanleger auf der Boddenseite umgeschlagen und auf einem Bodenlagerplatz zwischengelagert.

Vorteile liegen auf der Hand: nur bedingt Lagerflächen für Baumaterialien, kurze Transportstrecken, keine Belastung von Zingst u. a. Orten durch Transportfahrzeuge (kein Lärm, keine Abgase, kein Stau).

Nach Abschluss der Deichbauarbeiten werden die Zwischenlager verschwunden sein, wird der Anleger wieder zurückgebaut - die Natur wird wieder Besitz ergreifen.

Das Schützenswerte

Der Ostzingst ist Lebensraum für Küstenvögel. Im Frühjahr und vor allem im Herbst gewinnt er besondere Bedeutung, wenn Tausende von Zugvögeln hier Rast machen, unter ihnen die Kraniche.

Darauf wird sich eingestellt. Niemals wird während des Kranichzuges gearbeitet, keine für die Vögel störenden Bautätigkeiten in den Herbstmonaten von September bis November bzw. im März und April.

Das Reizvolle

Mit den bereits fertigen Deichen entstanden neue Angebote, neue Möglichkeiten, sich die Landschaft zu erschließen, die Tier- und Pflanzenwelt zu erleben. Auf einem gut ausgebauten Weg und im Schutz des Deiches geht es zu Fuß oder - wegen der Entfernungen noch besser - per Fahrrad gut voran. Unterwegs laden Sitzgruppen und massive Aussichtsplattformen zu Pausen ein und, auch das sollte sich niemand entgehen lassen, zum Blick über den Deich.

Wenn in einigen Jahren auch die "Mittelrippe" gebaut, dann die Maßnahme abgeschlossen ist, wird die Natur von nahezu allen Deichstrecken aus erlebbar sein. Am besten natürlich von den Beobachtungseinrichtungen aus, die an markanten Punkten stehen werden. Und nicht nur die Besucher werden davon profitieren! Vormals eingedeichte Flächen werden renaturiert, natürliche Prozesse wieder in Gang gebracht. Irgendwann - in vielen, vielen Jahren - wird sich die Landschaft grundlegend verändert haben.

Wie seit Jahrhunderten werden Kraniche weiterhin ihre Schlafplätze in der Kernzone des Nationalparks - in den Flachwasserbereichen vor Pramort - einnehmen. Wie schon jetzt, werden Besucher auch nach Abschluss der Maßnahme von Einrichtungen heraus diesem Schauspiel beiwohnen können.

Das zu Renaturierende

Schöpfwerke und alte Entwässerungsgräben werden zurückgebaut, auch alte Deiche werden zurückgebaut oder geschlitzt. Der Wasserhaushalt in der Sundischen Wiese kann sich auf natürliche Weise regulieren. Kann sich das Boddenwasser erst wieder naturgegeben ausbreiten, werden südlich des neuen Seedeiches wie einst Küstenüberflutungsmoore entstehen. Im nördlichen Teil hinter dem Seedeich können sich Strandseen und Moore bilden, die sich mit dem Bewuchs von Röhricht und Mischwaldformen abwechseln.

Ein herrliches Stück Natur! Mit der laufenden Maßnahme wird es weiter an Wert gewinnen.

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