Festrede zum Jubiläum - 06. Juni 2014 - Festredner Holger Becker
Ich möchte mich im Namen des Borner Tonnenbundes bei allen ganz herzlich bedanken, die unserer Einladung zur heutigen Feierstunde gefolgt sind.
In der OZ war vor einigen Jahren zu lesen, "Den Volksfesten läuft das Volk weg", obwohl diese ein Stück Kulturgut der Region sind und Veranstalter große Probleme haben, Gäste anzulocken. Aber es war auch zu lesen, dass Feste, die mit Herzblut gemacht werden, immer ihre Besucher finden.
Herzblut müssen die Wiecker Tonnenbrüder gehabt haben, als sie sich 1926 mit den Darßer Tonnenbrüdern zusammensetzten und ein gemeinsames Tonnenabschlagen vereinbarten. So wurde 1927 in Prerow das 1. Bezirkstonnenabschlagen bei strömenden Regen durchgeführt. Born, Wieck und Ahrenshoop veranstalteten in den folgenden Jahren das Tonnenfest. Die Weltwirtschaftskrise zwang die Tonnenbünde zur Aufgabe dieser noch in den Kinderschuhen steckenden Errungenschaft. Alle Tonnenbünde feierten bis 1939 - mit unterschiedlicher Besucherresonanz - das Tonnenabschlagen. Durch den schrecklichen Weltkrieg kamen die Feste völlig zum Erliegen und nach 1945 hatten die Menschen nur Sorgen um das tägliche Überleben.
Ostern 1950 kam bei einigen Bornern wieder der Wunsch auf, das Tonnenfest zu feiern. Unter Schirmherrschaft des VdgB wurde am 28. Mai 1950 in Born das erste Tonnenfest nach dem Krieg ausgerichtet. Die Tonnenbrüder konnten ihren amtierenden König Paul Scharmberg begrüßen, der sich kurioserweise am 28. Mai 1939 zum dritten Mal zum König schlug.
1953 erinnerte sich ein Mann der Idee des gemeinsamen Tonnenabschlagens. Unter Leitung des Althägers Hermann Saatmann fand 1953 in Ahrenshoop das 1. Bezirkstonnenfest unter Teilnahme der Wiecker-, Borner- und Wustrower Reiter statt. Die Prerower begannen ein Jahr später mit der Wiederaufnahme der alten Tradition. Wie es einem Prerower erging und mit welchen Problemen und Schwierigkeiten die Reiter in den ersten Jahren zu kämpfen hatten, veranschaulicht ein Interview, das ich am 20. September 1994, also vor 20 Jahren, mit Hanning Niemann aus Prerow führte:
Dat tweite Bezirkstonnenfest wier 1954 in Wustrow. Dor wi unsirst gründt harn wiern de Wustrowschen dorgegen dat wi nu glieck ant Bezirkstunnenfest mitmöken. Ut alle annern Urte künn twölf Rieder mitmoken, von uns genehmigten se denn mann vier Rieder.
Wi fohrten denn tiedig mit en Gespann von Walter Döring un twei Rietpier de an Wogen anbunn wiern no Wustrow. Denn ganzen Dach rägente dat. As wi non Vordarß kemen reet sich dat Pierd wat Erwin rieden sull los un hauchte aff. Paul wull nu mit sinen schwatten achteran un de verhaspelte sich updenn Knüppeldam de von Born no Ohrenshoop güng. Nu lohmte de schwat un de beiden völen ut. Dr. Heinrich wull nokommen över dat wür uk nix un so bleef ick as einzigster oewerig. In Wustrow täuwte denn Paul Progst ut Born un as wi sattelten don reet de Bukgurd. Nu söchten wie uns von datanne Geschirr wat tosommen.
As ick denn endlich upt Pierd stiegen wull bi all denn Rägen ret mi de Büx von achter bit vörn up. - Von nu an bleef ick bit tum Schluß upt Pierd sitten un stech nich werre runne. Jo, un denn bünn ick König worden. Vor Freue reet sich Walter Döring denn Haut von Koop schmet em inne Morr un hüpte dorup rüm. As de Spräcker denn sä de König is vonne Wieck, don heff ick mi meldt un secht dat ick von Priere bün. So wür ick dat nächste Johr bi mi to hus affholt denn dor wo de König hengüng wür uk de irsten Johr dat Bezirksfest fiert. Stäbenkönig wür Eddy Hückstädt un Bodenkönig Viktor Kegel beide ut Born.
Das zweite Bezirkstonnenfest war 1954 in Wustrow. Da wir uns gerade erst gegründet hatten, waren die Wustrower dagegen, dass wir nun gleich beim Bezirkstonnenfest mitmachten. Aus allen anderen Orten konnten 12 Reiter mitmachen, von uns genehmigten sie nur 4 Reiter.
Wir fuhren dann zeitig mit einem Gespann von Walter Döring und 2 Reitpferden, die an den Wagen angebunden waren nach Wustrow. Den ganzen Tag regnete es. Als wir nun zum Vordarß kamen, riss sich das Pferd, was Erwin reiten sollte los und haute ab. Paul wollte nun mit seinem Schwarzen hinterher und der verhaspelte sich auf dem Knüppeldamm, der von Born nach Ahrenshoop ging. Nun lahmte der Schwarze und die beiden fielen aus. Dr. Heinrich wollte nachkommen, aber das wurde auch nichts und so blieb ich als Einziger übrig. In Wustrow wartete dann Paul Progst aus Born und als wir sattelten riss der Bauchgurt. Nun suchten wir uns von den anderen Geschirr zusammen.
Als ich nun endlich auf das Pferd steigen wollte, bei all dem Regen, riss mir die Hose von hinten bis nach vorn auf. Von nun an blieb ich bis zum Schluss auf dem Pferd sitzen und stieg nicht wieder runter. Ja, und dann bin ich König geworden. Vor Freude riss sich Walter Döring den Hut vom Kopf und schmiss ihn in die Modder und hüpfte darauf herum. Als der Sprecher sagte, der König ist von Wieck, hab ich mich gemeldet und sagte, dass ich von Prerow bin. So würde ich das nächste Jahr zu Hause abgeholt, denn dort wo der König hinging, wird das erste Jahr das Bezirkstonnenfest gefeiert. Stäbenkönig wurde Eddy Hückstädt und Bodenkönig Viktor Kegel, beide aus Born.
Hermann Saatmann bemühte sich besonders um den Erhalt und die Pflege des schönen Brauches. Als 1969 in Born zum letzten Mal das Tonnenabschlagen gefeiert wurde, schrieb Hermann Saatmann ein Gedicht, in dem er seine große Besorgnis um die Weiterführung dieses Festes zum Ausdruck brachte.
Generatschonen kommen un gohn,
un all fiern sei dat Tunnafslahn.
Up´n Darß, up Fischland is dat so,
so schön wie nirgens annerswo.
Doch dormit kregen se en Janken,
un kemen up´n gauden Gedanken.
Dat alle Dörper tausammenkommen,
tau´n Tunnafslagen in n groten Rohmen.
Von Fischland un von Darß die Rieders,
ob Buern, Seelüd, sogar Snieders,
ob Arbeiters orrer Handwarkers wiern.
Ehr Tunnafslagen, dat deden sei fiern.
Soans hes sick tausommen funn,
un slögen all up eine Tunn.
Wi besöchten uns gegensiedig giern,
so dat söstig Rieders wiern.
Stolz harm wie in die Riederbost,
hett uns uk mancher Daler kost.
De edle Wettstreit güng denn los,
doch jedes Dörp dat dachte blos,
büt möt uns dat bestimmt geling´n
na Hus möten wi denn König bring´n.
Dat Glück hüll uns doch oft taun Narr´n,
wiel de annern denn, denn könig harr´n.
Doch jedes Dörp, dat wier en Sägen,
hett denn Bezirkskönig mol krägen.
Ob Wustrow, Born, ob Prerow, Wieck,
ob Ohrenshoop, dat wär ganz glieck.
Un Obens, wenn de Pier in Stall,
denn güng dat henn nahn Tunnenball.
Dor is dat denn so Bräkenvull
un danzt wat dennoch as vör dull.
Ja, Tunafslahn dat is en Fest,
von ganze Jahr dat Allerbest.
Un dat sall nu nich wierergahn,
dat is doch gornich tau verstahn.
Uns Heimatfest mit sienen Nomen,
wo dusende von Mischen kommen.
Dei all sick freuchten, grot un lütt,
tau disse herrlich Heimatsitt.
Dorüm! Uns Heimatfest möt läben.
Dor möten wi all tausommen no sträben.
Generatschonen, die noch komm un gohn,
sölen uk noch fiern uns Tunnafslahn.
Sein Sohn, Jürgen Saatmann organisierte daraufhin 1970 das 1. Bezirkstonnenwintervergnügen, um so den Kontakt zu den Tonnenbrüdern der einzelnen Orte zu pflegen. Die Tonnenbünde Born, Wustrow und Ahrenshoop hielten voller Stolz an dieser Traditionspflege fest und besuchten sich abwechselnd auf dem Fischland oder dem Darß.
Am 17. Januar 1989, anlässlich der 1. Zusammenkunft unserer Vereine zur 100-jährigen Fahnenstiftung des Borner Tonnenbundes, war es der Althäger Hans-Ullrich Fretwurst, der an alle Anwesenden die Frage stellte, wie sie über einen Neuanfang des Bezirkstonnenfestes dachten. Der Gedanke wurde wohlwollend aufgenommen und so wurde beschlossen, die 100-jährige Fahnenstiftung gleichzeitig als Ausgangsbasis und Neuanfang für dieses schöne Fest zu Nutzen. Gemeinsam feiern wir in diesem Jahr das 25. durchgehende Bezirksfest! Aber nicht nur dieses Fest feiern wir gemeinsam.
Als ich 1997 mit viel Herzblut den Vorschlag machte, ein Fastnachtstonnenabschlagen zu feiern, war die Zustimmung verhalten. Ausschlaggebend für den Erfolg war Petrus. Er war auf unserer Seite und wir feierten im Februar bei frühlingshaften Temperaturen mit rund 200 Besuchern ein unvergessliches Fest. Waren in den ersten Jahren die Tonnenbünde Hauptakteure, so hat sich hier nach und nach ein Wandel vollzogen. Ohne die Teilnahme vieler Aktiver aus unserem Ort und den Nachbargemeinden, die das Spektakel mit wundervollen Einzelmasken und Gruppenbildern zu einem kulturellen Höhepunkt werden lassen, würde das Fastnachtstonnenabschlagen nicht diesen Zuspruch erfahren.
Abschließend möchte ich mich im Namen des Borner Tonnenbundes besonders bei der Borner Kurverwaltung und allen anderen Unterstützern bedanken, denn nur gemeinsam kann man so ein anspruchsvolles Fest auf die Beine stellen.