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Ostseebad Ahrenshoop
So reiten sie in Althagen - Beschreibung von einem Tonnenfest

Käthe Miethe, Althagen, Quelle: Tonnenbund Ahrenshoop
aus dem Festblatt des Althäger Tonnenfestes Sonntag, den 9.Juli 1933
gedruckt von: Carl Hinstorffs Hofbuchdruckerei, Rostock

"Das Tonnenfest endete in einem kühlen Regen, den der Wind aus Nordost zwischen die uralten Weiden an der Landstraße trieb. Vor dem graublauen Abendhimmel, vor den dunkelnden Feldern leuchteten weiß die Hemden der Reiter auf. Ein Festzelt ertönt von Bläsern ein dreifacher Tusch, eine Reiterkette mit stolz erhobenen Kellen, mit blumenbekränzten schweren Pferden, sprengte in die Wiesen hinein: der neue Tonnenkönig war gefunden! Er hatte den letzten entscheidenden Schlag getan. Das letzte Brett vom Tonnenboden war zersplittert zur Erde gestürzt, und leer schaukelten die zwei Taue mit dicken Knoten, die die Tonne getragen hatten hin und her.

Die Reiter sammelten sich langsam wieder und ritten wiederum die Landstraße hinauf, zwischen den jubelnden Menschenmengen hindurch. Sie hielten zu dreien und vieren still, und das Hoch und die Reden auf den neuen Tonnenkönig und den alten, den neuen "Stäbenkönig" und den alten, auf alle die Tonnenbrüder und die Gäste, von Reitern und vom Ortsvorsteher gehalten, setzen ein. Dann erfolgt die feierliche überreichung des Siegespreises: ein blitzneues Pferdegeschirr.

Althäger Tonnenfest

Nun ordnete sich der Zug. Aus dem Zelt krochen die Musikanten, ergraut und beleibt, in schwarze Röcke gekleidet, hoben die großen goldenen Trompeten an den schon erschlafften Mund, wanderten an die Spitze, und so ging der Ritt durch das abendliche Fischerdorf an den niedrigen, Strohgedeckten Häusern entlang. Hunderte folgten den Reitern nach; an den Hecken saßen die ältesten aus den Dörfern zusammen, verwitterte Seemannsgesichter unter den blauen Mützen. Sie schauten lange dem Zuge nach. Er brachte den Tonnenkönig nach Haus.

Am frühen Nachmittag hatte der Kampf um die Königschaft begonnen. Ihn leitete ebenfalls ein Ritt durch das ganze Dorf ein. Am Hafen machte man länger Halt, weil ein Schiff mit Gästen aus Ribnitz kam. Dort paradierten die Reiter in ihrem schönen Schmuck und standen wie auf eine Kette gereiht, als der Dampfer kam. Aus dem Vorschiff lud man eine bekränzte Tonne aus, dann ging es zum Dorf zurück , vor das Wirtshaus, das einmal den guten Namen "Der Erbkrug" trug und jetzt - wie sollte es anders sein ein "Ostsee-Hotel" geworden ist, und eine große Veranda quer vor der den Tanzsaal bekam. Zwischen den alten Weiden waren Girlandengespannt mit Willkommensgruß: "Hoch Fischlands Art und Sitte, Und alter Feste Brauch."

Auf der Pferdeweide, dem Wirtshaus gegenüber, war ein Karussell aufgebaut, noch eines von denen, wo dicht unter dem schlichten Zeltdach der Mann und die Kinder im Drehkreuze gehen, die Mutter das Geld einkassiert und dann an den Leierkasten tritt. Der Leierkasten konkurrierte übrigens mit einem benachbarten Leiermann, der neben der Würfelbude stand. Sie spielten die "Rasenbank" und die "Waldesruh" zur gleichen Zeit. Dann war noch ein breites Bespeisungszelt aufgebaut. Dort gab es Kognak und Köhm und Bier. Man saß auf Latten vor Latten, alle die Kapitäne und Steuerleute und Schipper und Fischer mit Weib und Kind, und die Bauern und Büdner auch, und die Seefahrtsschüler aus dem benachbarten Ort setzten den Groschen auf die Jungfrau im Würfelbrett und trugen vergnügt eine Tüte mit Kuchen als ihr Gewinn davon.

Als die bekränzte Tonne sich in die Luft erhob, ging ein Tusch los, die Reihen der Reiter ordneten sich einige hundert Meter entfernt vom Platz, und nun sauste der erste los, hob die Kelle, schlug auf die Tonne ein und sprengte unter ihr weit davon. Die anderen folgten. Wohl waren die Pferde, sonst an den Pflug und an die Egge gewohnt, zuerst noch scheu und verwirrt, sie sprangen zur Seite, sie rollten die Augen, sie blieben plötzlich erstarrt dicht vor der Tonne stehen. Doch bald war die Tonnenjagd in vollem Gang.

Die Tonnenbrüder sprengten in kurzer Folge unter dem hängenden, schwankenden Ziel dahin, sie hielten drüben eine kleine Weile Rast, dann kehrten sie um und jagten wiederum unter dem Ziele fort, die Kelle zum Schlage hoch über dem Pferdekopf erhoben. Die Tonne schwankte unter ihrem heftigen Schlag, die Tonne flog manches Mal hoch in die Luft. Wieder machten die Tonnenbrüder kehrt, sie kamen in Schwung, ihre Pferde auch, sie jagten ununterbrochen auf und ab. Die Kränze der Tonne waren schon lange herabgefallen, jetzt sperrten die "Stäben" sich. Wer die letzte Daube herunterschlug, schied aus aus dem Spiel. Er bekam eine neue Peitsche zum Lohn und wurde der "Stäbenkönig" für ein ganzes Jahr. Der Stäbenkönig reitet weiter im Zuge mit, er feuert die anderen mit der neuen Peitsche an, aber er schlägt nicht mehr.

Nun hing nur noch der festgefügte Boden kahl an zwei Tauen herab. Fast drei Stunden hintereinander währte bereits das Spiel. Die Reiter trieften, die Pferde wußten von sich selbst nichts mehr. "N´beeten tau" "Haut man es beeten düller op", die alten Schiffer sammelten sich in Scharen zu beiden Seiten der rauchenden Landstraße an. Sie feuerten Reiter und Rosse an, dann fiel der entscheidende Schlag. Der Tonnenkönig war gefunden!

Das Tonnenfest ist älter als unser ältestes Bauerhaus, wurde in der Rede an die Tonnenbrüder gesagt. Es ist ein uralter Küstenbrauch, doch wie alt er ist bleibt wohl unbekannt. Man feiert das Tonnenfest in Dörfern von Wismar nach Stralsund hinauf, man feiert es auch auf dem Fischland seit langer Zeit.

Wenn das Tonnenfest kommt, holt man die hölzerne Kelle von der Scheunenwand und legt einen perlgestickten Gürtel um und breitet die bunte Decke über den Ackergaul. Der Bauer schickt seinen besten Sohn in den Kampf, der Leiermann kommt und das Karussell, und überall hört man Musik. Und aus den Nachbardörfern wandern die alten Kapitäne im blauen Rock, mit dem festen Stock, zum Festplatz hin, und die Dorfjugend hat ihren besten Tag, und die ganze Nacht geht der Tanz."


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